In unserem letzten Blogbeitrag haben wir erste Strategien im Umgang mit eigenen Meltdowns vorgestellt. Neben der Art wie wir mit uns selber sprechen, ist eine bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Stressoren ein wichtiger Schritt für einen positiven und produktiveren Umgang bzw. nachhaltige Reduktion in Häufigkeit und Ausmaß von Meltdowns. In diesem zweiten Teil werden die Themen Selbstregulation sowie Aktionspläne für Meltdowns genauer beschrieben.

1) Selbstregulation

Wissen darüber, wie man sich selbst regulieren kann, ist ein zentraler Baustein im Umgang mit Meltdowns. Unter Selbstregulation versteht man die Fähigkeit, die eigenen Emotionen, Gedanken und körperlichen Reaktionen so zu steuern, dass man handlungsfähig bleibt oder wieder wird.

Warum ist das so wichtig? Insbesondere wenn starke Emotionen auftreten oder auch selbstverletzendes Verhalten im Spiel ist, geht es in erster Linie darum, die Sicherheit und das Wohlergehen aller Beteiligten zu gewährleisten. Dabei ist es normal, dass nicht jede Strategie immer funktioniert – je nach Anspannungslevel können unterschiedliche Methoden hilfreich sein.

Unterschiedliche Stufen – unterschiedliche Strategien:

Meltdowns kommen selten aus dem Nichts. Meist gibt es Vorzeichen: innere Signale wie Anspannung, Gereiztheit oder Unruhe. Wer diese Anzeichen kennt, kann frühzeitig gegensteuern. Strategien, die in einem frühen Stadium helfen, funktionieren jedoch oft nicht mehr, wenn die Kontrolle bereits stark eingeschränkt ist. Es kann deshalb hilfreich sein, sich für verschiedene Stufen der Anspannung unterschiedliche Ansätze zu überlegen wie in diesem Beispiel:

  • Frühe Signale erkennen: leichte Anspannung, erste Reizüberflutung. Hier könnten kurze Pausen, Bewegung, Trinken, ein ruhiger Ort oder Musik helfen.

  • Mittlere Anspannung: die Reize werden stärker, Emotionen nehmen zu. Atemübungen, sensorische Hilfen (z.B. Kaugummi, Gewichtsweste), Routinen oder Gespräche mit vertrauten Personen könnten jetzt hilfreich sein.

  • Hohe Anspannung / kurz vor oder im Meltdown: Hier stehen Schutz und Sicherheit im Vordergrund. Rückzug in einen ruhigen, sicheren Raum, Reduktion von Reizen (z.B. Dunkelheit, Ruhe), klare Strukturen und ggf. Unterstützung durch andere könnten unterstützen.

Wenn Signale schwer zu erkennen sind:
Manche Menschen haben Schwierigkeiten, innere Vorgänge wahrzunehmen und zu benennen – zum Beispiel, wie Anspannung im Körper spürbar ist. Das kann es erschweren, frühzeitig zu reagieren. Studien zeigen, dass Probleme beim Erkennen und Beschreiben von Gefühlen mit einem erhöhten Risiko für dysfunktionale Bewältigungsstrategien verbunden sein können (vgl. Cerutti, Zuffianò & Spensieri, 2018; Swart et al., 2009). Hier kann es sinnvoll sein, zunächst sehr grundlegend zu beginnen:

  • Welche Körpersignale zeigen mir, dass ich gestresst bin (z.B.: Herzklopfen, Schwitzen, schnellere Atmung)?

  • Welche Gefühle kann ich benennen (z.B.: Angst, Frust, Überforderung)?

Mögliche Regulationsstrategien im Alltag:
Die passenden Strategien sind individuell und jede Person muss ausprobieren, was in diesen Situationen hilfreich ist. Einige Beispiele:

  • Grundbedürfnisse: ausruhen, essen, trinken, zur Toilette gehen

  • Bewegung und Umgebung: Spaziergänge, Sport, Aufenthalt in der Natur, Wald oder Park

  • Sensorische Unterstützung: Kaugummi, Massage, Gewichtsdecke, warme/kalte Dusche oder Bad

  • Atem- und Entspannungstechniken: tiefe (Bauch-) Atmung, progressive Muskelentspannung

  • Soziale Unterstützung: Gespräche mit vertrauten Personen, Bestätigung durch andere

  • Routinen und Interessen: sich bekannten Abläufen widmen, Hobbys nachgehen, Musik hören

  • Positive Selbstgespräche: Affirmationen, Erinnerungen an bereits bewältigte Situationen

Das Ziel ist es, einen persönlichen Werkzeugkoffer zu entwickeln: Was funktioniert wann bei mir?

2) Aktionsplan für Meltdowns

Selbst wenn man sich aller Stressoren bewusst ist und seine Emotionen gut regulieren kann, bedeutet das nicht, dass es gar keine Meltdowns mehr geben wird. Immer wieder gibt es Veränderungen und unvorhersehbare Belastungen, die einen Meltdown für den Körper notwendig machen. Anstatt diese aber einfach auf sich zukommen zu lassen, kann proaktiv gemeinsam mit wichtigen Personen ein Aktionsplan für den Fall eines Meltdowns erstellt werden. Dieser dient nicht nur dem Umfeld, sondern auch einem selbst.

Dabei kann ein Aktionsplan sehr unterschiedlich aussehen und sollte immer an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Wichtig ist, den Plan gemeinsam mit den Menschen zu besprechen, die im Ernstfall unterstützen können. Manchmal hilft es auch, einzelne Schritte einzuüben und den Plan gut sichtbar aufzuhängen oder griffbereit zu haben.

Bausteine können sein:

  • Meine ersten Anzeichen: Welche Signale treten auf, wenn Anspannung entsteht (z.B. Gereiztheit, Herzklopfen, Kopfschmerzen)

  • Meine späten Anzeichen: Woran merke ich, dass ein Meltdown kurz bevorsteht (z.B. starke Überforderung, Rückzug, Tränen)

  • Was mich stresst: Situationen oder Reize, die besonders herausfordernd sind

  • Was ich tun kann: Eigene Strategien für verschiedene Phasen (z.B. kurze Pause, Natur, Musik, Atemübungen)

  • Wie man mir helfen kann: Was andere tun können, um zu unterstützen (z.B. ruhig bleiben, keine Fragen stellen, Rückzug ermöglichen)

  • Was nicht hilfreich ist: Dinge, die den Stress verstärken (z.B. Kritik, viele Worte, körperliche Nähe)

  • Mein Mantra oder Erinnerungen: Kurze Sätze, die Sicherheit geben (z.B. „Es ist okay, Pausen zu machen“, „Ich darf Hilfe annehmen“)

Ein Aktionsplan ist wie eine Landkarte. Sie hilft dabei, den Weg zurück in einen ruhigeren Zustand zu finden, wenn die Anspannung steigt. Mit der Zeit kann diese Karte angepasst und erweitert werden. Wichtig ist, dass der Plan so konkret wie möglich ist und alle Beteiligten wissen, was zu tun ist, wenn ein Meltdown eintritt.

Fazit

Meltdowns sind ein Signal unseres Nervensystems, dass alles zu viel ist. In diesem Beitrag wurde beschrieben, wie wichtig es ist, eigene Wege der Selbstregulation zu kennen und diese auch regelmäßig zu üben. Ein Aktionsplan kann helfen, sich besser vorbereitet zu fühlen und Unterstützung zu bekommen, wenn es doch einmal zu einem Meltdown kommt.

Wer die ersten Anzeichen kennt und passende Strategien parat hat, kann oft früher eingreifen und Überlastung besser steuern. Und wenn es trotzdem zu einem Meltdown kommt, sorgt ein klarer Plan dafür, dass man weiß, was zu tun ist, und dass auch andere wissen, wie sie helfen können.

So entsteht Stück für Stück ein persönlicher Weg, mit Meltdowns umzugehen: aufmerksam, fürsorglich und vor allem vorbereitet.

Quellen:

Cerutti, R., Zuffianò, A., & Spensieri, V. (2018). The Role of Difficulty in Identifying and Describing Feelings in Non-Suicidal Self-Injury Behavior (NSSI): Associations With Perceived Attachment Quality, Stressful Life Events, and Suicidal Ideation. Frontiers in Psychology, 9, 318. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2018.00318

Swart, M., Kortekaas, R., & Aleman, A. (2009). Dealing with feelings: Characterization of trait alexithymia on emotion regulation strategies and cognitive-emotional processing. Cognition & Emotion, 23(4), 701–718.

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Meltdown 101 – Der Umgang mit Meltdowns (Teil 1)